KI-Tools haben sich so schnell wie kaum ein anderes Medium in den Alltag der Jugendlichen integriert. Dies zeigt die Studie James 2024 von ZHAW und Swisscom. Während viele Medienaktivitäten kaum zunehmen, wird Gaming immer beliebter.
KI-Tools erobern den Alltag der Jugendlichen im Rekordtempo. Rund 71 Prozent haben bereits Erfahrungen mit ChatGPT und Co. gemacht. Ein Drittel aller Jugendlichen nutzen KI-Tools bereits mindestens wöchentlich, obwohl diese Technologie erst Ende 2022 in den Fokus der breiten Masse trat. Dies zeigt die aktuelle James-Studie, für die alle zwei Jahre rund 1000 Jugendliche im Alter von 12 bis 19 Jahren befragt werden. «Noch nie zuvor hat sich ein Medium so schnell in den Alltag integriert, wie KI -Tools dies getan haben. Damit erhält das kritische Hinterfragen von Information in Zukunft einen noch höheren Stellenwert», sagt ZHAW-Forscher und Co-Studienleiter Gregor Waller. Jugendliche müssten unbedingt für die Thematik sensibilisiert und angeleitet werden, wie man Informationen auf ihre Richtigkeit prüft.
Die Big Four festigen sich
Die beliebtesten sozialen Netzwerke und Messenger bei Jugendlichen in der Schweiz sind nach wie vor Instagram, Tiktok, Whatsapp und Snapchat. Diese vier führenden digitalen Kommunikationsplattformen sind für die Mehrheit der Bevölkerung in der Schweiz fester Bestandteil des Alltags, unabhängig von Alter, Geschlecht und soziodemografischem Hintergrund. Die Nutzung sozialer Netzwerke durch Jugendliche ist überwiegend rezeptiv. Kommentare, das Teilen von Inhalten oder das regelmässige Hochladen eigener Beiträge sind für diese Altersgruppe weniger relevant. Die Big Four werden von Jugendlichen sowohl zur Informationsbeschaffung als auch zur Unterhaltung genutzt, wobei der Unterhaltungsaspekt überwiegt.
Sättigungstendenzen
Die Mediennutzung der Jugendlichen ist von einer Sättigungstendenz geprägt. Viele der medialen Aktivitäten, darunter Musikhören, die Nutzung sozialer Netzwerke oder das Ansehen von Videos im Internet, sind heute so tief im Alltag integriert, dass eine weitere Steigerung der Nutzung kaum mehr möglich erscheint. Dies ist vor dem Hintergrund von Schule, Lehre, nicht-medialen Freizeitaktivitäten oder sozialen Aktivitäten zu betrachten, wodurch ein natürliches Maximum erreicht zu sein scheint.
«Die stabilen Ergebnisse könnten darauf hinweisen, dass sich die digitalen Routinen und Gewohnheiten der Jugendlichen im Alltag gefestigt haben.», sagt Céline Külling-Knecht, ZHAW-Forscherin und Mitautorin.
Im Vergleich zum Vorjahr ist ein Rückgang bei der Nutzung klassischer Medien zu verzeichnen. Im Vergleich zu den Ergebnissen aus dem Jahr 2018, als noch ein Viertel der befragten Jugendlichen Zeitschriften- und Zeitungsportale regelmässig zu Informationszwecken nutzte, zeigt sich aktuell ein Rückgang auf nur noch 10 Prozent. Gleichzeitig nutzen mehr als die Hälfte der befragten Jugendlichen soziale Netzwerke als Informationsquelle (57 Prozent). Auch wenn traditionelle Nachrichtenanbieter in sozialen Netzwerken ebenfalls vertreten sind, so kann grundsätzlich jede Person auf diesen Plattformen Informationen ungefiltert verbreiten. Dies birgt das Risiko der Verbreitung von Falschnachrichten und konfrontiert Jugendliche potenziell vermehrt mit Manipulation und Fehlinformation.
Versteckte Risiken in Games
Die James-Studie zeigt, dass acht von zehn Jugendlichen zumindest gelegentlich Videospiele spielen. Bei den Jungen stellt das Gamen demnach die mit Abstand beliebteste Freizeitaktivität dar, während es bei den Mädchen eine deutlich geringere Rolle spielt. Die beliebtesten Spiele sind Free-to-play-Games wie das Mobile Game "Brawl Stars", gefolgt von "Fortnite" und "Minecraft". Die Faszination für diese Games ist zum Teil auf sogenannte "Dark Patterns" zurückzuführen. Hierbei handelt es sich um manipulative Designstrategien, die das Verhalten der Spielenden beeinflussen sollen. Zu den Dark Patterns zählen beispielsweise Lootboxen und komplexe In-Game-Währungen. Dazu zählen beispielsweise Lootboxen (zufällige Belohnungen, die zum Weiterspielen und -kaufen animieren) oder komplexe In-Game-Währungen (die den Überblick über die tatsächlichen Kosten erschweren). Auch zeitlich limitierte Belohnungen und das daraus resultierende Gefühl, etwas zu verpassen ("Fear of Missing Out", Fomo), soziale Verpflichtungen innerhalb des Spiels (beides erhöht den Druck, regelmässig zu spielen) sowie Verlustaversion (Mechanismen, bei denen Spielende bereits Erreichtes verlieren können) gehören zu den "Dark Patterns" von Videospielen. Die Monetarisierung erfolgt durch Mikrotransaktionen, ein Bezahlmodell, bei dem Nutzer im Spiel virtuelle Güter erwerben können. Laut Umfrage hat rund die Hälfte aller befragten Jugendlichen bereits eine solche Transaktion getätigt.
"Vor dem Hintergrund dieser Mechanismen sind vor allem Eltern in der Pflicht, sich mit unterschiedlichen Games auseinanderzusetzen und sich offen gegenüber dem Gamingverhalten ihrer Kinder zu zeigen", streicht Michael In Albon, Jugendmedienschutz-Beauftragter bei Swisscom, diesbezüglich hervor. Zudem sollten auch Behörden ein Auge auf die Entwicklungen rund um "Dark Patterns" haben und gegebenenfalls regulierend einschreiten, so wie das in einigen Ländern wie den Niederlanden oder Grossbritannien bereits geschehen ist, so Albon.
Prävention
Die Umfrage unter Jugendlichen zeigt, dass 36 Prozent der Befragten in den vergangenen zwei Jahren mindestens einmal nach dem Aussehen ihres Körpers gefragt wurden. Rund ein Drittel der Befragten gab an, dass Fremde im digitalen Raum mit ihnen über Sex reden wollten oder sie mit unerwünschten sexuellen Absichten angesprochen haben. Die Ergebnisse zeigen deutliche Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen. Mädchen sind deutlich häufiger von verschiedenen Formen sexueller Belästigung betroffen. Fast jede zweite Jugendliche hat bereits Erfahrungen mit sexuell motivierter Kontaktaufnahme im Internet gemacht. Mit dem Alter nimmt die Häufigkeit solcher Erlebnisse zudem deutlich zu. "Es ist unhaltbar, dass Kinder derart belästigt werden, Plattformen wie Instagram oder Tiktok müssen hier mehr in die Verantwortung genommen werden, damit die Jugendlichen besser geschützt sind", macht Michael In Albon seine Haltung in dieser Frage klar. Auch beim Phänomen des Cybermobbings zeigt sich ein Einfluss des Geschlechts. So geben 28 Prozent der befragten Jungen, jedoch nur 15 Prozent der Mädchen an, bereits mindestens einmal im Internet beschimpft oder beleidigt worden zu sein. Gleichzeitig zeigt sich, dass weit mehr Jungs als Mädchen selbst in der aktiven, mobbenden Rolle sind. Die Häufigkeiten von aktiv ausgeübtem Cybermobbing und von Cybermobbing betroffen zu sein, unterscheiden sich kaum. Eine weitere Möglichkeit ist, dass ein Grossteil der Jugendlichen sowohl aktiv mobbt als auch selbst von Mobbing betroffen ist.
"Da es mit dem Alter kaum eine Zunahme von Cybermobbing gibt, macht es Sinn, mit der Prävention zu diesem Thema bereits auf der Primarstufe anzufangen", sagt Céline Külling-Knecht, ZHAW-Forscherin und Mitautorin.
Sport bleibt wichtigste Freizeitaktivität
Sportliche Aktivitäten, audiovisuelle Medien und Musik stehen an erster Stelle, wenn Jugendliche ihre Freizeit alleine verbringen. Insbesondere Sport hat im Vergleich zur James-Studie 2022 an Bedeutung gewonnen und wird nun als beliebteste Freizeitaktivität genannt. Während bei den Jungen Spiele und sportliche Aktivitäten klar dominieren, stehen bei den Mädchen andere kulturelle (Lesen und Musik) und kreative (Backen, Zeichnen) Aktivitäten im Mittelpunkt. Als wichtigste Freizeitaktivitäten mit Freundinnen und Freunden nennen die Jugendlichen ähnlich wie 2022 sportliche Aktivitäten, Zeit draussen in der Natur und gemeinsame Unternehmungen. Auch Gespräche mit Freundinnen und Freunden sind den Jugendlichen laut Studie sehr wichtig. Die Jugendlichen lesen laut Studie gerne, dies ist seit vielen Jahren eine Konstante in der Mediennutzung. Darüber hinaus finden sich immer mehr buchbezogene Inhalte auf verschiedenen Plattformen wie Tiktok, Instagram und Youzube. Diese Inhalte sind laut James so weit verbreitet, dass sich für diese Subkulturen eigene Namen wie "Booktok", "Bookstagram" oder "Booktube" etabliert haben. Zum ersten Mal seit 2016 wurden daher 2024 wieder die Lieblingsbücher der Jugendlichen erhoben. An erster Stelle steht die Harry-Potter-Reihe, die seit 2012 die Rangliste anführt. Ebenfalls beliebt sind 2024 Gregs Tagebuch, Die drei ??? und One Piece. Seit 2012 sind die beliebtesten Bücher immer diejenigen, die auch verfilmt wurden. Auffällig ist, dass sich das Leseverhalten vor allem zwischen den Geschlechtern unterscheidet. Mädchen lesen grundsätzlich mehr als Jungen und geben Lesen auch häufiger als eine ihrer liebsten Freizeitbeschäftigungen an.