«Ohne Führung keine Rettung»

Bild: Swiss Police ICT

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In Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS) wurde im Rahmen des 12. SPIK-Kongresses in Bern rasch klar: Digitale Transformation basiert auf der Überlegung, dass die digitale Welt komplett andere Formen der Organisation, der Zusammenarbeit und auch der Datennutzung erfordert.

Polycom und die sichere Breitbandkommunikation standen im Mittelpunkt des ersten Tages des 12. Schweizer Polizei-Informatik-Kongresses (SPIK) in Bern. Benno Bühlmann, Direktor des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz (BABS), hielt in seinem Eingangsvotum fest, dass die Schweizer Bevölkerung erwarte, dass ein Krisenfall mit dem «Verbundsystem Bevölkerungsschutz» erfolgreich bewältigt werde. «Die Kommunikationssysteme ermöglichen es den Einsatzorganisationen zu führen und ihren Auftrag zeitgerecht zu erfüllen. Ohne Führung ist keine Rettung möglich.» Diese Systeme müssten aber auch bei Strommangellage, Pandemie und Terroranschlägen zuverlässig funktionieren. «Daher müssen sie stromsicher, hochautonom, redundant und breitbandig ausgeführt sein», sagte Bühlmann. Um das vielversprechende Synergiepotenzial möglichst vollumfänglich zu identifizieren, beziehe das BABS sämtliche Organisationen mit Rettungs- und Sicherheitsaufgaben sowie Betreiberinnen kritischer Infrastrukturen und die Industrie mit ein, um mit ihnen gemeinsam landesweit Lösungsansätze zu finden. Nach dem Motto: «Zusammenstehen für innovative Lösungen in der Schweiz», wie Bühlmann ausführte. Voraussetzung für eine Realisierung ist das neue Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetz (BZG), das in der kommenden Session im Parlament behandelt wird.

Grösster Polizei-Einsatz der deutschen Geschichte

Einer der Höhepunkte des ersten Kongresstages war der Vortrag «Einsatz G20-Gipfel in Hamburg 2017». In bewegenden Worten liess der damalige Polizei-Einsatzleiter Hartmut Dudde den grössten Polizei-Einsatz der deutschen Geschichte Revue passieren. Rund 31'000 Polizisten hatten am 7. und 8. Juli 2017 zum Schutz des Gipfels und der Elbestadt im Einsatz gestanden. Bis zu 50'000 Menschen beteiligten sich an verschiedenen Demonstrationen. Zur Einsatzbewältigung standen der Polizei unter anderem 213 Schutz- und Sprengstoffspürhunde, 52 Dienstpferde, 73 Boote, 48 Wasserwerfer und 11 Hubschrauber zur Verfügung. Trotz des beachtlichen Aufgebots konnte nicht verhindert werden, dass sich vermummte Chaoten und Polizei Krawalle lieferten. 797 Beamtinnen und Beamten wurden verletzt, 228 Einsatzkräfte erkrankten oder fielen wegen Erschöpfung aus. Welche Lehren hat Dudde aus dem Polizeieinsatz in Hamburg gezogen? «Die Gewaltbereitschaft europäischer Linksextremisten würde ich heute anders beurteilen. Erkannte Fähigkeitslücken, wie zum Beispiel die Abwehr auf Dächern, schlösse ich. Und ich würde vermehrt Sicherheitskräfte in gefährdete Bereiche schicken, die lediglich Präsenz markieren und damit der Bevölkerung ganz klar signalisieren: Der Rechtsstaat ist da.»

Transformationsprozess bei der Eidgenössischen Zollverwaltung

Am zweiten Kongresstag zog das Referat von Christian Bock, Direktor der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV), viele Interessierte in seinen Bann. Bock machte plausibel, weshalb sich die EZV in einem tiefgreifenden Transformationsprozess befindet. Dabei rief er bemerkenswerte Zahlen in Erinnerung: Jeden Tag würden rund 2,1 Millionen Personen, 1,1 Millionen Fahrzeuge und 24'000 LKWs die Schweizer Grenze passieren. Bezogen auf die Personen sei das doppelt so viel wie in den USA. Die Digitalisierung stelle die EZV vor grosse Herausforderungen. Und dabei sei «die IT das am wenigsten wichtige Element». Zum Beispiel seien in der Logistikbranche enorme Umbrüche zu erwarten. Es könne damit gerechnet werden, dass die Drohnen-Technologie grenzüberschreitend, für jedermann erschwinglich und vor allem rund um die Uhr für den regelmässigen Warentransport zum Einsatz kommen werde, meinte Bock. Und fügte an: «Selbstfahrende Lastwagen werden neue Möglichkeiten der Warenauslieferung bieten und für uns Sicherheitsbehörden neue Herausforderungen stellen.» 2018 erhielt die Schweizer Post von den grossen Online-Händlern aus dem Ausland so viele Pakete wie noch nie. Und diese Paketpost dürfte zunehmen. «Wir werden in absehbarer Zeit erleben, dass chinesische Händler ihre Produkte innert Wochenfrist in die Schweiz liefern werden», sagte Bock. Auch lokal kämen neue Problemstellungen auf die Schweiz zu: «Immer mehr Schweizer erledigen im grenznahen Ausland ihre Einkäufe. Faktisch profitieren sie von einer Steuerfreiheit. Ohne den Einsatz digitaler Technologien werde man dies unmöglich in den Griff bekommen.» Zur Veranschaulichung erwähnte er zwei Zahlen: «Bei einer Wertfreigrenze von 300 Franken haben wir heute rund 250'000 Verzollungen an der Nordgrenze. Will man die Freigrenze auf 50 Franken senken, so reden wir von 12 Millionen Verzollungen. Hierzu fehlen nicht nur Mitarbeitende, sondern Kassen, Parkplätze und Stauraum.» Kurz: Die digitale Transformation sei kein IT-Projekt. Digitale Transformation basiere auf einem wesentlich radikaleren Ansatz. «Sie basiert auf der Überlegung, dass die digitale Welt komplett andere Formen der Organisation, der Zusammenarbeit und auch der Datennutzung erfordert.»

Sechs Faktoren, um seine Träume zu verwirklichen

Eröffnet wurde der Kongress von Kulttrainer Hanspeter Latour. Der 71 Jahre alte Referent erzählte in gewohnt witzig-charmanter Manier, wie er selbst mit der digitalen Revolution umgehe. Ein harmonisches Zusammenspiel zwischen den sechs Faktoren Fleiss, Mut, Glück, Orientieren, Motivieren und Organisieren hätten dazu geführt, dass seine Träume in Erfüllung gegangen seien, sagte Latour. Damit spannte der Thuner einen Bogen zwischen Fussballtrainer und Polizeiarbeit. Am 12. SPIK nahmen insgesamt rund 800 Vertreterinnen und Vertreter von Polizei, Wirtschaft und öffentlicher Hand, IT-Experten verschiedener Branchen sowie Teilnehmer aus der Politik teil – um sich auszutauschen und Trends zu diskutieren. Der jährliche Anlass ist die nationale Plattform für den Erfahrungsaustausch zu den Themen Polizeiinformatik, Einsatzkommunikation und Bekämpfung von Cybercrime. Neben den 29 Referaten konnten sich die Teilnehmenden an 30 Messeständen vom praktischen Nutzen der präsentierten Lösungen überzeugen.

Über SPIK
SPIK ist die nationale Plattform für den Erfahrungsaustausch zu den Themen Polizeiinformatik, Führungs- und Einsatzkommunikation und Bekämpfung von Cybercrime. SPIK richtet sich ebenso an Informatiker und Führungskräfte aller Polizeikorps wie an die Informations- und Kommunikations-Industrie (IKT/ICT), die Wirtschaft und die Politik. Ziel des jährlich stattfindenden Kongresses ist es, Involvierten mit neuen Ideen, Entwicklungen und Produkten vertraut zu machen. Veranstaltet wird SPIK vom Verein Swiss Police ICT. Dieser strebt danach, feste Brücken zu den Polizeigremien zu bauen, steht aber selbst nicht für «die Polizei», sondern ist ein privater Verein, der Polizei und Industrie vernetzt.

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