SAP und Siemens planen gemäss dem Handelsblatt zusammen mit etwa 50 Partnern aus Wirtschaft, Forschung und Verbänden den Aufbau einer digitalen Plattform für den Austausch von Daten in der Fertigungsindustrie.
Nach Erteilung der Zustimmung des Bundeswirtschaftsministeriums soll das Projekt „Factory-X“ Anfang 2024 starten. Die Initiative könnte für Unternehmen im Zusammenhang mit dem Europäischen Union Datengesetz (Data Act) relevant sein. DSAG-Fachvorstand Thomas Henzler fasst zusammen, was es hierbei für die Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe zu berücksichtigen gibt. «Die Digitalisierung und die damit verbundene Vernetzung von Unternehmen stellen eine wachsende Herausforderung für die mehr als 3’800 DSAG-Mitgliedsunternehmen dar. Die übergreifende Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Lieferanten und Kunden gewinnt zunehmend an Bedeutung. Prozesse werden immer stärker über Unternehmensgrenzen hinweg verzahnt. Das birgt Chancen. Denn: Die intelligente Beschaffung und Nutzung von Daten stellt für Unternehmen in der Industrie genauso eine anspruchsvolle Herausforderung dar wie für zahlreiche andere Branchen. Das Potenzial ist beträchtlich. Die Steuerungen in den Produktionsstätten sind immer mehr auf eine grössere Menge an Daten angewiesen. Die ohnehin knappen Ressourcen an Fachkräften, Rohstoffen und die laufende Energie-Debatte verstärken diese Herausforderung und schüren die Vision einer hochgradig automatisierten und intelligent vernetzten Fertigung. Hinzu kommen zunehmend sich verschärfende gesetzliche Rahmenbedienungen wie das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) oder auch das Nachhaltigkeitsberichtswesen. Diese stellen viele Unternehmen hinsichtlich der Beschaffung notwendiger Daten vor grosse Herausforderungen. Dementsprechend stark gewachsen ist auch die Zahl der Anbieter, die unterstützende Software entwickeln oder Daten als Service zur Verfügung stellen. Was jedoch fehlt, ist eine ganzheitliche und standardisierte Plattform unter Berücksichtigung der regulatorischen Anforderungen. Hier sieht die DSAG das Potenzial von Factory-X.
Die Unternehmen weisen aktuell stark unterschiedliche Fortschrittsgrade bezogen auf die Umsetzung der digitalen Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern auf. Insbesondere im Hinblick auf gesetzliche Anforderungen wie das Emissions-Reporting gewinnt die Notwendigkeit, mehr Daten von externen Partnern zu erhalten, an Bedeutung. Entsprechend wachsen die Anforderungen und nicht jedes Unternehmen wird mit eigenen technologischen und finanziellen Mitteln selbst Lösungen hierfür entwickeln können – vor allem nicht mit der notwendigen Geschwindigkeit. Dementsprechend begrüssenswert ist aus DSAG-Sicht der Vorstoss von SAP und Siemens, mit der Cloud-Plattform Factory-X die Digitalisierung der produzierenden Industrie zu beschleunigen. Allerdings haben bisherige Initiativen beider Partner wie z.B. eine zentrale Plattform für die Maschinenkommunikation im Bereich Internet-of-Things (IoT) nicht immer den gewünschten Erfolg gebracht. Damals wie heute gab und gibt es Bedenken bezüglich vertraulicher Informationen und die Furcht vor Wettbewerbsnachteilen durch das Teilen von Daten mit potenziellen Mitbewerbern. Diese kann eine neue Plattform auch nur teilweise entkräften. Unternehmen müssen sich unabhängig davon mit deren Datenstrukturen und Bedeutung für das bestehende und zukünftige Business-Modell auseinandersetzen sowie dieses bewerten. Dazu bedarf es bei aller technologischer Betrachtung vor allem einer engen Zusammenarbeit mit den entsprechenden Geschäftspartnern. Insbesondere im wichtigen Aftersales-Geschäft, wo Daten ein wichtiger Faktor sind, treten solche Bedenken häufig auf. Hier steht aus DSAG-Sicht die Frage im Raum, wie Siemens und SAP mit Factory-X die Sicherheit und Vertraulichkeit von Daten gewährleisten wollen, und wie die Unternehmen unabhängig technologischer Themen organisatorisch zusammenarbeiten können.»
Daten technisch harmonisieren und mit ERP-Systemen verknüpfen
«Als Interessenvertretung von mittelständischen Unternehmen bis zu DAX-Konzernen halten wir eine technische Harmonisierung von Daten für notwendig und begrüssen sie. Aufgrund regulatorischer Anforderungen und vor dem Hintergrund der weltpolitischen Lage werden Industrien und Wertschöpfungsketten kontinuierlich vernetzt, um Geschäftsprozesse effizienter und resilienter zu machen. Die dazu erforderlichen Datenmengen sind enorm und viele neue Anwendungen und Dienste notwendig. Auch die notwendigen Datensätze, um beispielsweise neue Geschäftsmodelle über das Internet der Dinge (IoT) zu realisieren, werden zahl- und umfangreicher. Die Folge: Angesichts der Leistungsfähigkeit existierender Netzwerktechnologien wird es immer schwieriger, die Daten aus einer Vielzahl von Quellen zusammenzutragen. Umso wichtig ist es aus SAP-Anwendersicht, dass die Factory-X-Plattform eine starke Verzahnung mit den Enterprise-Resource-Planning (ERP)-Systemen der Unternehmen gewährleistet. Darüber hinaus müssen technische und regulatorische Themen dringend geklärt werden – darunter Vertraulichkeitsregelungen und die Weiterverarbeitung von Daten. Entscheidend ist, dass SAP und Siemens nun transparent und einheitlich agieren. Die gesetzliche Notwendigkeit durch den Data Act verspricht aus DSAG-Sicht den notwendigen Schub, um das Thema Vernetzung konsequent in die Unternehmen zu tragen. Allerdings müssen auf die Zielsetzungen auch konkrete Umsetzungen folgen, damit aus der anfänglichen Euphorie tatsächlich das volle Potenzial der digitalen Vernetzung geschöpft werden kann, das Factory-X verspricht.»